Erfahrungen aus 3 Jahren Flüchtlingsarbeit

„Wir sind da richtig reingeraten, haben uns anstecken lassen von der Willkommen-Stimmung. Ohne die Euphorie von damals hätten wir uns vermutlich nicht so stark engagiert. Bei den regelmäßigen Begegnungstreffen ab Herbst 2015 in der Gaststätte am Sportpark saßen wir schon am ersten Abend mit ein paar Flüchtlingen zusammen und haben Fragen beantwortet. Daraus hat sich eine langjährige intensive Unterstützung von vier Geflüchteten entwickelt.

Wir sind in einer relativ guten Position: Wir betreuen 4 Geflüchtete aus 4 Ländern, 3 davon sind anerkannt, alle in Arbeit, keiner bezieht Sozialleistungen. An dieser Situation sind wir sicher nicht ganz unschuldig: Wir haben Jobangebote rausgesucht, Bewerbungen geschrieben, mit Firmen verhandelt oder auch Tipps zur Arbeitssuche gegeben.

Wir sind mittlerweile die Anlaufstelle für alle medizinischen Fragen oder für Probleme mit den Ämtern. Dabei habe wir fast nur gute Erfahrungen mit den Ämtern oder Arztpraxen gemacht: Wir bekommen alle Auskünfte, die notwendig sind – trotz Datenschutz – und die Leute sind sehr kooperativ und engagiert, wollen Probleme lösen.

Aber es gibt natürlich auch oft Anlässe für die Flüchtlingshelfer, sich zu ärgern: Da ruft einer an und bittet wegen Zahnschmerzen einen Termin beim Arzt zu vereinbaren – erscheint dann aber nicht zum ausgemachten Termin. Oder man besorgt kostenlose Theaterkarten und die Kerle erscheinen nicht rechtzeitig, weil der Bus angeblich nicht gekommen ist! Das ist aber kein Grund zu resignieren. Es ist ein bisschen so wie mit Kindern – auch wenn sie einen manchmal nerven, hat man sie doch irgendwie ins Herz geschlossen – und das spüren sie.

Für die Flüchtlinge ist das Leben aus vielen Gründen kompliziert: Der eine kann nicht mit Geld umgehen, schließt einen Handyvertrag ab und bezahlt nicht. Nach Verhandlungen mit dem Inkassobüro lassen sich die Schulden um 500€ runterhandeln – die geliehenen 900€ hat er dann aber rasch zurückgezahlt. Der andere versteht nicht, warum er jetzt für einen Deutsch-Kurs bei der VHS 50% des Preises bezahlen muss – diese Kosten hatte vorher das BAMF übernommen, als er noch kein eigenes Geld verdiente. Dafür ist er jetzt stolz, dass er einen ordentlichen Arbeitsvertrag hat und ein geregeltes Einkommen und niemandem mehr auf der Tasche liegt.

Ein weiterer war Grundschullehrer und arbeitet jetzt – als Moslem – in einem katholischen Kindergarten. Die Arbeit gefällt ihm gut und die Kinder mögen ihn sehr. Aber der Umgang mit den Kolleginnen, alles Erzieherinnen ist schwierig. Da gibt es Konkurrenz – das kennt er nicht und kann damit nicht umgehen. Ein anderer hat Schwierigkeiten mit dem Chef. Er will am nächsten Tag ein paar Bier mitbringen, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Es dauert lange, ihn davon zu überzeugen, dass so ein Verhalten bei uns nicht üblich ist.

Was hat sich bei den Geflüchteten geändert? Sie sind in unserem Land angekommen und froh hier zu sein. Sie sind sehr dankbar für jede Hilfe, die sie bekommen – müssen aber auch lernen, Dinge alleine zu regeln. Natürlich gibt es auch Flüchtlinge, die nie richtig Deutsch lernen und in einfachen Berufen bleiben werden. Auch ihr Lebensstil ist oft anders: sie gehen selten nach außen, bleiben eher unter sich, suchen kaum Kontakt, auch nicht zu den Nachbarn in der Wohnung nebenan. Aber auch unter uns Einheimischen gibt es Menschen, die am liebsten ihre Ruhe haben wollen.

Auf die abschließende Frage, warum kümmert ihr Euch eigentlich um Flüchtlinge, gibt es eine überraschende Antwort: Das machen wir für Dich, d.h. für jeden von uns – damit das hier funktioniert – damit wir in Taufkirchen gut und tolerant zusammen leben.

Das Interview mit den Flüchtlingshelfern führte und dokumentierte Michael Schanz.

Für ein gutes und tolerantes Leben in Taufkirchen

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